Soeben ist der 27. Parteitag der CDU zu Ende gegangen. Unter anderem beschlossen die Delegierten auch einen Antrag des Bundesvorstandes zur Inneren Sicherheit. Der Beschluss D 2: Mit einem starken Staat für Freiheit und Sicherheit (PDF) ist nicht nur hoch widersprüchlich, er zeigt, dass die Union die Auseinandersetzung mit AFD, PEGIDA und Co., wer mit der populistischerer Law and Order-Politik rechtsaußen am meisten punktet, gewillt ist aufnehmen.

Zunächst stellt die CDU in ihrem Beschluss fest, dass Vertrauen zu einer „Währung des Internets“ geworden ist. „Vertrauen in die Chancen der Digitalisierung“ wolle man daher stärken. Damit dies gelinge, müsse die IT sicherer werden als bisher. Deshalb brauche es „Regelungen, welche die IT-Sicherheit bei Unternehmen“ verbessern und „den Schutz der Menschen im Netz“ erhöhen. Soweit so unkonkret. Doch schon im nächsten Absatz wird deutlich, wohin die Reise gehen soll.

Gleich zu Beginn der Klassiker: „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum!“ Eine Floskel, die an Banalität kaum zu überbieten ist und die aus Angst, umgehend fünf Euro in´s nächste Phrasenschwein werfen zu müssen, sich eigentlich seit Jahren keiner mehr traut, auszusprechen. Eigentlich.

Es folgen Warnungen vor „Kriminellen“, die „die Anonymität des Internets“ für Straftaten nutzten, vor „Tätern, die das Internet für den Missbrauch von Kindern und Heranwachsenden nutzen“ sowie vor „solchen, die kriminelle oder terroristische Vereinigungen bewerben“.

Die „ohnehin beim Provider anfallenden Verbindungsdaten“, die „oftmals die einzige Spur“ seien, mit denen Täter überführt werden könnten, lieferten „sehr wertvolle, ja notwendige“ Erkenntnisse, etwa bei der „Bekämpfung der Kinderpornographie oder zur Verhinderung terroristischer Anschläge“. Schöner hätte es BKA-Präsident Ziercke auch nicht sagen können.

Da dies alle so ist, seien die „Wiedereinführung von Speicherfristen für Verbindungsdaten“ und die „effektive Möglichkeit der Überwachung auch verschlüsselter Kommunikation (Quellen-Telekommunikationsüberwachung)“ nicht nur „essentiell“, sondern auch nach den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts „legitim und möglich“. Daher werde man sich auch „mit Nachdruck“ für diese „unverzichtbaren Werkzeuge“ einsetzen.

Die CDU lässt die Hose runter: Aus Angst vor der AFD greift sie in die Mottenkiste der Sicherheitspolitik. Durch ihr zutiefst ideologisches Festhalten an der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung stellt sie alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht. Statt den durch Edward Snowden aufgedeckten größten Überwachungs- und Geheimdienstskandal aller Zeiten aufzuklären und notwendige Konsequenzen zu ziehen, nimmt sich die Union den US-amerikanischen Geheimdienst NSA offenbar zum Vorbild und will zukünftig auch verschlüsselte Kommunikation überwachen. Das bedroht sowohl die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger als auch die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen. Gerade diejenigen, die sich vor der anlasslosen Massenüberwachung schützen wollen, geraten hierdurch erst Recht ins Visier der Sicherheitsbehörden. Vertrauen gewinnt man so ganz bestimmt nicht zurück.

Mit ihren heutigen Beschlüssen begibt sich die Union erneut auf verfassungsrechtlich sehr dünnes Eis. Der Verweis auf die entsprechenden Urteile von Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof zeigt, dass der Union dies durchaus bewusst ist. Doch alle verfassungsrechtlichen Bedenken fichten sie nicht an. Als Grüne Bundestagsfraktion warnen wir die CDU davor, unsere Freiheitsrechte in einem Wettstreit mit AFD, PEGIDA und Co. scheibchenweise zu verschachern.

Übrigens: Bei ihrem 26. Parteitag im April dieses Jahres lautete der erste Satz in einem entsprechendem Beschluss noch „Persönliche Kommunikationsdaten müssen geschützt sein.“ Von einem solchen – auch grundgesetzlich gebotenem – Schutz  ist im aktuellen Beschluss keine Rede mehr. Scheinbar ist das letzte Ohrfeige, die die Union von einem Verfassungsgericht kassiert hat, bereits zu lange her.

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