Als Reaktion auf die schlechte Mobilfunkabdeckung in Deutschland und die kürzlich veröffentlichte Mobilfunkstrategie der Bundesregierung legt die Grüne Bundestagsfraktion unter Federführung von Margit Stumpp mit ihrem gerade eingebrachten Antrag „Mobilfunk als Daseinsvorsorge“ (pdf) einen eigenen Ansatz gegen „Weißen Flecken“ vor.

Gesprächsabbrüche, ewiges Laden einer Webseite auf dem Handy und stockende YouTube-Videos unterwegs gehören in Deutschland nach wie vor zum Alltag – besonders in weniger dicht besiedelten Gebieten abseits der Großstädte. Nach aktuellen Zahlen der Versorgungs- und Kostenstudie Mobilfunk beträgt die flächenmäßige LTE-Abdeckung bei der Deutschen Telekom 89,9 %, bei Vodafone 80,8 % und bei Telefónica 69,1 %. Für Netzbetreiber attraktive Regionen sind parallel von allen bestehenden Anbietern ausgebaut worden, während abgelegene Gegenden immer noch im Funkloch sitzen. Die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD trägt die „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ ständig wie eine Monstranz vor sich her. Gleichzeitig versagt sie fundamental, digitale Daseinsvorsorge und damit die Attraktivität des Ländlichen Raumes zu sichern.

Bei der im letzten Jahr zum Ende gekommenen Versteigerung der Frequenzen für den Mobilfunkstandard 5G hätte die Bundesregierung und die Bundesnetzagentur die Grundlage für einen zukunftsfähigen Mobilfunk in Deutschland schaffen können. Doch dies wurde versäumt, die Vergaberegeln sind unzureichend festgelegt worden. Die Vorschläge der kürzlich veröffentlichten Mobilfunkstrategie der Bundesregierung, Mobilfunklöcher anhand einer staatlichen Infrastrukturgesellschaft beseitigen zu wollen, klingt wie ein Eingeständnis ihrer politischen Versäumnisse der vergangenen Jahre. Der staatlich organisierte Bau von Mobilfunkmasten wird sich auf Grund fehlender Expertise und Erfahrungen Jahre hinziehen. Da bekommt das Kürzel www für die Betroffenen eine ganz andere Bedeutung: warten, warten, warten. Vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklung von digitalen Diensten ist schnelle Abhilfe geboten.

Über 4.000 Funklöcher bleiben trotz der Versorgungsauflagen bestehen. Um die weißen Flecken in der Mobilfunkversorgung tatsächlich zu schließen, bedarf es einer staatlichen Anordnung der Versorgung in diesen Gebieten. Denn ein mobiler Internetzugang ist unverzichtbar für die gesellschaftliche Teilhabe und gehört zur e-Daseinsvorsorge. Als Grüne Bundestagsfraktion fordern wir deshalb einen Rechtsanspruch auf mobiles Internet. Die Bundesregierung muss sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass der EU-Kodex Telekommunikation angepasst und Mobilfunk in die Universaldienstverpflichtung aufgenommen wird. Die Feststellung von Breitband-Mobilfunk als Universaldienst nimmt die Mobilfunkanbieter in die Pflicht, über ein Umlagesystem den Ausbau fair untereinander zu finanzieren.

Eine entsprechende Änderung der europäischen Rechtslage kann sich allerdings über Jahre hinziehen. Die Bundesregierung ist deshalb aufgefordert, Mobilfunk als „zusätzlichen Pflichtdienst“ (im Sinne des EU-Kodex Telekommunikation Art. 92) neben dem Universaldienst anzuordnen und dies in der nächsten Novelle des Telekommunikationsgesetzes rechtlich bindend festzuschreiben. Statt ineffektive Förderprogramme und eine fragliche Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft mit Steuergeldern zu finanzieren, sollten die von der Bundesregierung veranschlagten 1,1 Milliarden Euro zur Finanzierung des Pflichtdienstes genutzt werden. Dann kann der Bund den Ausbau in unterversorgten Gebieten anordnen, statt auf die Anreizwirkung von Fördergeldern zu hoffen – auch dort, wo sich der Ausbau aus privatwirtschaftlicher Sicht nicht rechnet. Dass Förderprogramme oft nicht den gewünschten Effekt haben, zeigt das Bundesförderprogramm Breitband – dort verschimmeln seit Jahren Mittel im Fördertopf, Kommunen geben immer häufiger ihre Förderbescheide zurück.

Zudem existiert für Gebiete, in denen bisher nur ein Netzbetreiber ausgebaut hat („Graue Flecken“), bereits jetzt eine Möglichkeit für eine kurzfristige Lösung: Verpflichtendes Roaming. Kundinnen und Kunden aller Netzbetreiber könnten das bereits bestehende Netz nutzen, Ausbaukosten und Mastendichte reduziert werden. Doch eine solche Verpflichtung schaffte es nach koalitionsinternen Streitigkeiten bisher nicht in den Gesetzesentwurf zur Novellierung des Telekommunikationsgesetzes – weder in die vierte Gesetzesänderung vor der Frequenzversteigerung, noch in die darauffolgende im Nachgang der Versteigerung.

Ein leistungsfähiges Mobilfunknetz mit einem schnellen mobilen Internetzugang gehört heutzutage zur Grundversorgung und sollte für Jede und Jeden zu jeder Zeit zur Verfügung stehen. Die Aufnahme von Breitband-Mobilfunk in die Universaldienstleistung und eine verpflichtende Roaming-Regelung könnten sicherstellen, den Rückstand beim Ausbau des Mobilfunks auch im ländlichen Raum aufzuholen – damit gleichwertige Lebensverhältnisse keine hohle Floskel ohne Inhalt bleiben.

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