Gerade hat Horst Seehofer angekündigt, auf die „intelligente Videoüberwachung“ und automatisierte Gesichtserkennung an Bahnhöfen und Flugplätzen verzichten zu wollen und einen Absatz auf dem Entwurf für ein novelliertes Bundespolizeigesetz wieder streichen zu wollen. Zuvor hatten nicht nur wir, sondern auch ein Zusammenschluss von Bürgerrechtsgruppen eindringlich vor den Plänen gewarnt. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Ulrich Kelber, hatte ein EU-weites Verbot biometrischer Gesichsterkennung in öffentlichen Räumen gefordert. Über ein solches Verbot denkt scheinbar auf die EU-Kommission derzeit nach.

Die jetzige Entscheidung von Horst Seehofer war die einzig richtige. Gleichzeitig reicht es nicht aus, nun medial zurück zu rudern. Die Bundesregierung muss den Einsatz sogenannter „intelligenter Videoüberwachung“ und automatisierter Gesichtserkennung umgehend gesetzlich ausschließen. Darüber hinaus muss sie sich auf europäischer Ebene für ein EU-weites Verbot einsetzen. Hierzu fordern wir die Bundesregierung mit Nachdruck auf und werden in der kommenden Sitzungswoche eine entsprechende Initiative in den Deutschen Bundestag einbringen.

Ein solches, klares gesetzliches Verbot muss sich sowohl auf polizeiliche wie unternehmerische Überwachung durch biometrische Gesichtserkennung öffentlicher Räume beziehen. Wie eilig es ist, echte Maßnahmen zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung und öffentlicher Räume vorzulegen, haben zuletzt die Enthüllungen um das Unternehmen „Clearview AI“ in den USA, genauso aber die Etablierung eines „social credit systems“ in China gezeigt.

Es war von vornherein klar, dass der am Berliner Südkreuz durchgeführte Pilotversuch nicht als Blaupause für ein flächendeckendes Ausrollen dieser tief in die Grundrechte eingreifenden Technik geeignet ist. Die „intelligente Videoüberwachung“ und automatisierte Gesichtserkennung erhöht Sicherheit nicht, sondern gefährdet Grundrechte. Die Technik stellt die relative Anonymität öffentlicher Räume grundsätzlich in Frage. Zudem bindet sie bei der Bundespolizei an anderer Stelle dringend benötigtes Personal. Hierauf wurde immer wieder hingewiesen.

Dass der Bundesinnenminister, nachdem er letzte Woche bereits in Sachen biometrischer Passfotos eine 180 Grad-Kehrtwende vorgenommen hat, nun auch hier nach kürzester Zeit die eigenen Pläne bezüglich der automatisierten biometrischen Gesichtserkennung wieder einsammeln muss, wirft erneut kein gutes Bild auf Horst Seehofer. Gerade der für den Schutz unserer Verfassung zuständige Minister wäre gut beraten, zukünftig eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit vor der Vorlage verfassungsrechtlich hochumstrittener Pläne vorzunehmen. 

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