Der Einsatz biometrische Gesichtserkennung im öffentlichen Raum gefährdet massiv Grundrechte. Wir wollen sie daher gesetzlich ausschließen. Erschreckende Erfassungspraktiken wie die des US- Unternehmens clearview zeigen den dringenden Handlungsbedarf. Bundesinnenminister Horst Seehofer hat seinen Plan für großflächige Überwachung öffentlicher Räume mit Gesichtserkennungstechnik zwar zunächst zurückgezogen, doch es handelt sich sehr offensichtlich um ein rein taktisches Manöver, um von anderen im Gesetz versteckten bürgerrechtlichen Kloppern abzuwenden. Wir haben sehr kurzfristig einen Antrag erarbeitet, der ein Verbot des Einsatzes dieser völlig unausgereiften Technik zum Schutz unserer Freiheitsrechte in öffentlichen Räumen fordert.

  • Die „intelligente Videoüberwachung“ und biometrische Gesichtserkennung erhöhen die öffentliche Sicherheit nicht, gefährden aber Grundrechte wie die informationelle Selbstbestimmung massiv.
  • Wir wollen die Freiheit der Innenstädte als Räume der Demokratie und der Grundrechtsausübung erhalten
  • Deshalb wollen wir den Einsatz dieser Technik im öffentlichen Raum gesetzlich ausschließen. Die Bundesregierung muss umgehend einen Gesetzentwurf vorlegen. Darüber hinaus muss sie sich für ein EU-weites Verbot einsetzen.

Wir haben kurzfristig einen Antrag erarbeitet und in den Bundestag eingebracht, über den die Süddeutsche Zeitung gestern bereits berichtet hat. Hier findet Ihr unseren Antrag mit dem Titel „Freiheit und Rechtsstaatlichkeit erhalten – Kein Einsatz biometrischer Gesichtserkennung in öffentlichen Räumen“ (pdf).

Demokratien leben von der Verfügbarkeit grundsätzlich unüberwachter öffentlicher Räume, in denen sich Individuen frei bewegen können. Die Überlegungen zur flächendeckenden Einführung biometrische Gesichtserkennung auf Grundlage algorithmischer Verfahren stellt diese rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit in Frage und droht die relative Anonymität öffentlicher Räume nachhaltig zu gefährden oder gar zu beenden.

Wie dringend es ist, hier eine gesetzliche Sperre einzuziehen, belegt das Geschäftsmodell des Unternehmens clearview in den USA. Milliarden von im Internet teils illegal gesammelten Bildern dienen als kommerzielle Gesichts-Datenbank. Durch automatisierte Gesichtserkennung werden Personenidentifizierungen samt aller zu einer Person zugänglicher Daten als Service angeboten – und von zahlreichen Sicherheitsbehörden in Anspruch genommen.

Digitale Gesichtserkennungssoftware gefährdet Privatheit in öffentlichen Räumen. Aufgeschaltet auf vorhandene Videokameras wie in China ist sie ein Symbol der Überwachung in autoritären Staaten. Wir dagegen wollen die Freiheit der Innenstädte als Räume der Demokratie und der Grundrechtsausübung erhalten. Dazu braucht es den Schutz relativer Räume der Anonymität. Deshalb fordern wir ein gesetzliches Verbot des Einsatzes von Verfahren der automatisierten Gesichtserkennung in öffentlichen Räumen, egal ob durch Polizei oder private Unternehmen.

Während Bundesinnenminister Seehofer monatelang mit dem Pilotprojekt am Berliner Bahnhof Südkreuz die Werbetrommel für Gesichtserkennung rührte, rudert er nun angesichts öffentlicher Kritik zurück. Er hat angekündigt, den bisherigen Passus im Gesetzentwurf für Änderungen am Bundespolizeigesetz, der vorsah, die automatisierte biometrische Gesichtserkennung an Bahnhöfen und Flugplätzen zu ermöglichen, zunächst wieder zu streichen. Dabei scheint es sich aber um ein rein taktisch motiviertes Manöver zu handeln und um kein wirkliches Umdenken des Ministers. Teile der Unionsfraktion halten ohnehin ausdrücklich an den Gesetzesplanungen fest. Und bei der SPD scheint es Ministerin Lambrecht egal, ob die Dauerrasterung aller Bundesbürger in öffentlichen Räumen kommt.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Äußerungen des Bundesinnenministers sowie aus den Reihen der CDU/CSU-Fraktion steht zu befürchten, dass im weiteren parlamentarischen Verfahren erneut ein entsprechender Passus in das Bundespolizeigesetz aufgenommen wird oder davon unabhängig in Kürze ein neuer Vorstoß zur automatisierten Gesichtserkennung im öffentlichen Raum droht. In der Praxis würden Tausende unbescholtene Bürgerinnen und Bürger täglich erfasst und gespeichert.

Zweifelsohne bestehen auf Bahnhöfen und Flugplätzen besondere sicherheitspolitische Anforderungen. Gleichzeitig birgt die Einführung nicht nur die beschriebenen Gefahren für die informationelle Selbstbestimmung. Die auf dem Markt befindlichen, unausgereiften Systeme erhöhen die öffentliche Sicherheit eben nicht: Pilotverfahren am Bahnhof Berlin-Südkreuz wiesen wiederholt so hohe Fehlerraten auf, dass mit tausendfachen Fehlspeicherungen und damit unzulässigen Grundrechtseingriffen täglich zu rechnen ist. Des Weiteren steht zu befürchten, dass durch die Einführung, gerade angesichts der zu erwartenden hohen Falscherkennungsraten, nicht nur gesellschaftlich ohnehin bestehende Diskriminierungen verfestigt werden, sondern auch an anderer Stelle dringend benötigtes Personal der Bundespolizei unnötig gebunden wird.

Debatte unseres Antrags im Plenum

Meine Rede zum Antrag könnt ihr hier nachschauen:

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