In den letzten Tagen hatte ich wiederholt über die anhaltende Weigerung der Bundesregierung, die Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Überwachungs- und Geheimdienstaffäre zu unterstützen, berichtet. Heute hat die Grüne Bundestagsfraktion eine aktuelle Stunde mit dem Titel ,,Behinderung der Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses des deutschen Bundestages durch die Bundesregierung" beantragt. Die Bundesregierung ist dringend aufgefordert, die Arbeit des Ausschusses im Interesse der Aufklärung zu unterstützen und nicht weiter zu behindern. Es kann nicht sein, dass Millionen Bürgerinnen und Bürger bis hin zur Bundeskanzlerin ausgespäht werden und die Regierung die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses bremst, weiter behindert und verzögert.
Heute ist Clemens Binninger (CDU) als Vorsitzendem des Ausschusses zur Überwachungs-und Geheimdienstaffäre überraschend zurückgetreten. Konstantin hat den Rücktritt kommentiert. Die Benennung Binningers zum Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums war von vornherein absurd, die nun angeführten Argumente für den Rücktritt schlicht lächerlich. Es war nicht die Opposition, die Binninger zum Rücktritt bewegte, sondern massiver Druck aus der Fraktionssführung der Union und dem Bundeskanzleramt. Die dringend notwendige Aufklärungsarbeit des größten Überwachungs- und Geheimdienstskandals aller Zeiten durch das Parlament wird durch eine massive Einflussnahme der Bundesregierung auf die Arbeit des Gremiums weiter konterkariert. Der nun erzwungene Rücktritt Binningers ist ein weiterer Baustein eines unwürdigen Spiels der Bundesregierung in Sachen Aufklärung dieses Skandals.
Gestern wurde bekannt, dass es erneut zu einem Datenklau von 18 Millionen E-Mail-Adressen und den dazugehörigen Passwörtern gekommen ist. Betroffen sind offenbar alle großen deutschen Anbieter und mehrere Millionen Bundesbürger. Zudem würden manche der Daten für alle aktuelle Angriffe missbraucht werden. Innerhalb weniger Monate erleben wir nun schon den zweiten Diebstahl digitaler Identitäten in einem massiven Ausmaß. Nach dem letzten Skandal hatten wir die Bundesregierung aufgefordert, die Aufklärung entschlossen anzugehen und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Geschehen ist nichts.
Mit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses geht die dringend benötigte weitere Aufklärung des größten Überwachungs- und Geheimdienstskandals einen entscheidenden Schritt voran. Als Grüne Bundestagsfraktion fordern wir die alte und neue Bundesregierung sowie die Europäische Kommission seit nunmehr einem dreiviertel Jahr immer wieder unmissverständlich auf, angesichts der durch den Whistleblower Edward Snowden bekannt gewordenen Überwachungspraktiken des britischen Geheimdienstes GCHQ im Allgemeinen und hinsichtlich des aus unserer Sicht klar EU-rechtswidrigen Einsatzes des Programms TEMPORA im Speziellen ein Vertragsverletzungsverfahren gegenüber dem Vereinigten Königreich Großbritannien einzuleiten. Die Untätigkeit von Bundesregierung und EU-Kommission ist nicht hinnehmbar. Daher haben wir gestern Kommissionspräsidenten Barroso noch einmal in einem Schreiben aufgefordert, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbrittanien einzuleiten.
Die letzten Wochen haben noch einmal klar belegt: Jeder unserer Schritte in Richtung Aufklärung im Zusammenhang mit der Affäre „Edathy“ bringt weitere Erkenntnisse und Ungereimtheiten ans Licht, insbesondere beim Bundeskriminalamt (BKA). Wir werden auch zukünftig alles daran setzen, die im Raum stehenden Fragen umfassend und mit allen parlamentarischen Mitteln aufzuklären. Es ist skandalös, dass der Innenausschuss über diese relevante Information erst aus unseren Parlamentarischen Anfragen erfährt. Tröpfchenweise immer Neues bekannt zu machen ist das Gegenteil einer vertrauensbildenden Maßnahme. Insgesamt steht daher die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses für uns damit weiterhin im Raum.
Seit mehr als einem dreiviertel Jahr beschäftigen wir uns sehr intensiv mit der Aufklärung des größten Überwachungs- und Geheimdienstskandals in der Geschichte der westlichen Demokratien. Die Affäre um die massenhafte Kommunikationsüberwachung durch verschiedene westliche Geheimdienste hatte die Union durch Ronald Pofalla kurzerhand im für „beendet“ erklären lassen. Das Vorgehen der Bundesregierung unter der Federführung eines sichtlich überforderten Innenministers Friedrich muss aus heutiger Perspektive, auch angesichts der Dimension der Bedrohung unseres Rechtsstaats, als schlicht skandalös charakterisiert werden. Schnell war klar: Weil die Bundesregierung nicht aufklären und die notwendigen Konsequenzen ziehen will, muss diese Rolle einmal mehr das Parlament übernehmen. In den letzten Monaten kämpften wir daher für einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Während den mehrmonatigen Beratungen haben wir uns als Opposition weitestgehend durchgesetzt, der PUA kommt.
Anlässlich des “Welttags gegen Internetzensur” haben die “Reporter ohne Grenzen” heute ihre Liste der “Feinde des Internets” veröffentlicht. In diesem Jahr wurden mit dem us-amerikanischen NSA und dem britischen GCHQ erstmals auch westliche Geheimdienste in die Liste aufgenommen. Diese stehen von nun an mit Russlands Inlandsgeheimdienst FSB, Irans Oberster Rat für den Cyberspace und Chinas Internetinformationsamt in einer Reihe. Die Aufnahme ist angesichts der durch Edward Snowdens offenbar gewordenen Praktiken der Dienste nur folgerichtig. Anlässlich des heutigen Welttages fordern wir die Bundesregierung noch einmal auf, sich endlich entschlossen für die Einhaltung von geltendem Menschenrecht und den Schutz zentraler Grundrechte einzusetzen. Die Bundesregierung darf sich nicht zum Handlanger derjenigen machen, die die Axt an die Freiheit des Internets und unsere Grundrechte legen. Dies muss für Unrechtsregime wie für westliche Geheimdienste gelten.
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