Über Monate hinweg spielte der Bundeswirtschaftsminister der Großen Koalition medienwirksam mit der „Zerschlagung“ Googles. Im Rahmen der Plenardebatte zur Digitalen Agenda der Großen Koalition ruderte Gabriel plötzlich zurück und wollte von der nur eine Woche vor der Europawahl durch ihn angestoßenen und bewusst über Monate laufen gelassenen Diskussion plötzlich nichts mehr wissen. Wenige Tage nach einem groß inszenierten Treffen mit Eric Schmidt fühlt sich der Vizekanzler plötzlich missverstanden. Hier findet Ihr die Klarstellung Sigmar Gabriels sowie meine Erwiderung.

In einer Kleinen Anfrage zur Marktmacht global agierender IT-Unternehmen (pdf) hatten wir die Bundesregierung befragt, welche konkreten Schritte sie gedenkt zu unternehmen, um auf die Marktmacht weniger global agierender IT-Unternehmen zu reagieren. Die Antworten waren ernüchternd: Rhetorik und tatsächliches Handeln klafften einmal mehr weit auseinander. Dabei hieß es Anfang Mai von Wirtschaftsminister Gabriel noch: „Wir haben debattiert, jetzt werden wir handeln.“ Von solchen Versprechen war plötzlich keine Rede mehr. Vielmehr weist die Bundesregierung in ihrer Antwort (pdf) darauf hin, dass das nationale und europäische Wettbewerbsrecht derzeit ein „grundsätzlich ausreichendes Instrumentarium zur Lösung der Probleme, die aus Marktmacht resultieren können“ biete.

Man reibt sich verwundert die Augen: Erst lässt der Bundeswirtschaftsminister einer großen Koalition über Monate Gedankenspiele, eines der größten Unternehmen der Welt zu zerschlagen, bewusst laufen und kündigt medienwirksam eine verbesserte Regulierung an, um dann festzustellen, dass es doch überhaupt keinen Regulierungsbedarf gibt – ein insgesamt bizarre anmutender Vorgang. Als grüne Bundestagsfraktion machen wir seit langem auf die Probleme, die durch quasimonopolartige Stellungen großer Unternehmen mit Gatekeeper-Funktion in der digitalen Wirtschaft entstehen, aufmerksam. Die Ansicht, dass es keinerlei regulatorischen Handlungsbedarf gibt, teilen wir also ausdrücklich nicht.

Aus unserer Sicht ist nicht nur ein konsequenter Einsatz des zur Verfügung stehenden Instrumentariums notwendig, darüber hinaus muss ernsthaft und konzentriert an der Weiterentwicklung wettbewerbspolitischer sowie datenschutzrechtlicher Instrumente gearbeitet werden. Damit, dass der Wirtschaftsminister die Diskussion kurzerhand für beendet erklärt hat, geben wir uns nicht zufrieden. Vor dem Hintergrund weitreichender, aber bisher folgenloser Ankündigungen möchten wir im Rahmen eines Fachgesprächs erörtern, welche Effekte die großen digitalen Plattformen auf Wirtschaft, Wettbewerb und NutzerInnen haben und wo gegebenenfalls politischer Handlungsbedarf besteht.

Fachgespräch
Marktmacht, Wettbewerb & Vielfalt in der digitalen Wirtschaft –
Welche Regeln brauchen wir im Zeitalter Digitaler Monopole?“
Montag, 23.02.2015, 16:00 – 20:00 Uhr
Deutscher Bundestag, Paul-Löbe-Haus, Saal E300

Fragen zur Diskussion:
In einem ersten Panel werden wir der Frage nachgehen, ob Netzwerk- und Lock-In-Effekte automatisch zu monopolistischen Marktstrukturen führen, welche positiven aber auch negativen Effekte große digitale Plattformen auf Wirtschaft, Wettbewerb und Verbraucher haben und ob Suchmaschinen oder soziale Netzwerke eine besondere gesellschaftliche Funktion erfüllen und entsprechend behandelt werden müssen. Kann das geltende Wettbewerbsrecht mit den neuen Herausforderungen umgehen oder brauchen wir neue Antworten? Braucht es eine Reform des Wettbewerbs- und Kartellrechts, innovative Ansätze zur Trennung von Plattform und Dienstleistung oder eine Kombination aus all dem? Welche Handlungsebene ist die richtige: die deutsche, die europäische oder die internationale? In einem zweiten Panel wollen wir diskutieren, welcher Rahmenbedingungen es für innovative Angebote, Gründungen und einen insgesamt offenen und vitalen digitalen Markt in Deutschland und Europa bedarf. Welche Barrieren hemmen Gründungen und Wettbewerb und wie können diese überwunden werden? Welche Bedeutung kommt innovativen Datenschutzkonzepten, der „Interoperabilität“ zur Abschwächung von Lock-In-Effekten oder einem verstärkten Rückgriff auf freie und offene Formate zu?

Programm

ab 15.30 Anmeldung

16.00 Begrüßung
Dr. Anton Hofreiter MdB, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

16:10 Panel I – Reicht das deutsche und europäische Wettbewerbsrecht aus, um Marktmacht in der digitalen Wirtschaft zu begegnen?

  • Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE) und von 2006 bis 2014, Mitglied der Monopolkommission
  • Dr. Gunnar Kallfaß, Bundeskartellamt, Leiter des Referats Deutsches und Europäisches Kartellrecht und der Koordinierungsstelle des European Competition Network
  • Malte Spitz, Autor des Buches „Was macht ihr mit meinen Daten?“ und Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Medien- und Netzpolitik von Bündnis 90/Die Grünen

Moderation: Katharina Dröge MdB, Sprecherin für Wettbewerbspolitik Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

17.45 Kaffeepause

18.15 Panel II – Welche Rahmenbedingungen sind notwendig, um Vielfalt und Wettbewerb in der digitalen Wirtschaft zu fördern?

  • Michaela Schröder, Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), Referentin im Projekt „Verbraucherrechte in der digitalen Welt“
  • Matthias Kirschner, Vize-Präsident der Free Software Foundation Europe
  • Dean Ceulic, Leiter Öffentlichkeitsarbeit Posteo.de

Moderation: Dr. Konstantin von Notz MdB, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Sprecher für Netzpolitik Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

19.45 Zusammenfassung & Ausblick
Dieter Janecek MdB, Sprecher für Wirtschaftspolitik Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

 

Barrierefreiheit
Der Veranstaltungsort ist barrierefrei zugänglich. Solltet Ihr aufgrund einer Behinderung z. B. eineN GebärdensprachdolmetscherIn benötigen, bitten wir Euch, mit uns möglichst bis zum 16.02.2015 Kontakt aufzunehmen.

Anmeldung
Eine namentliche Anmeldung mit Angabe des Geburtsdatums ist für den Zutritt zu den Räumlichkeiten des Deutschen Bundestages aus Sicherheitsgründen erforderlich. Auf den Seiten der grünen Bundestagsfraktion könnt Ihr Euch direkt anmelden. Für den Einlass bitten wir Euch, ein Personaldokument mitzubringen.

UPDATE 19.02.2015 zum Livestream
Wir freuen uns sehr über das Interesse an unserem Fachgespräch, das so groß war, dass wir die Anmeldung mittlerweile schließen mussten. Für all diejenigen, die sich nicht mehr anmelden konnten oder die es nicht nach Berlin schaffen, besteht die Möglichkeit, das Fachgespräch im Stream auf den Seiten der grünen Bundestagsfraktion zu verfolgen.

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