Die Verbreitung von öffentlichem WLAN wird durch eine erhebliche Rechtsunsicherheit und die sogenannte „Störerhaftung“ seit langem behindert. Seit Jahren verspricht die Bundesregierung, die „Störerhaftung“ abzuschaffen und die seit 2010 bestehende Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Geschlagene sechs Jahre passierte erst gar nichts, dann legte die Bundesregierung einen Entwurf vor, der völlig an der Realität vorbei ging. Es hagelte Kritik von allen Seiten. Dann folgte ein monatelanger Streit zwischen Union und SPD und irgendwann erblickte ein neuer Entwurf für ein reformiertes Telemediengesetz (TMG) das Licht der Welt. Wer die Genese des neuen TMG einmal nach nachvollziehen will, findet hier einen Übersichtsartikel.

Wer nun glaubte, dass die Große Koalition Rechtssicherheit hergestellt hat, der irrt. Zwar sind, darauf habe ich in meiner nun im Plenum gehaltenen Rede auch explizit hingewiesen, die Änderungen am Regierungsentwurf durch die große Koalition durchaus zu honorieren, beispielsweise der komplette Wegfall des im bisherigen Entwurf reformierten § 10 und des absurden Konstrukts der „besonders gefahrengeeigneten Dienste“, gleichzeitig aber hat die Große Koalition es gescheut, sich der „Störerhaftung“ tatsächlich anzunehmen und Unterlassungsansprüchen eine klare Absage zu erteilen.

Während im Entwurf der Bundesregierung noch die Notwendigkeit erkannt wurde, eine saubere Klarstellung im Gesetzestext selbst vorzunehmen, fehlte diese nun – obwohl der BGH selbst mehrfach darauf hinwies, dass es eben nicht ausreicht, entsprechende Absagen allein in die Antragsbegründung aufzunehmen. Die Regierungsfraktionen haben es also tatsächlich vollbracht, den einzigen guten Punkt aus dem ersten Entwurf der Bundesregierung herauszunehmen, nämlich die Absage an weitreichende Unterlassungsansprüche im Zuge der „Störerhaftung“. Somit wurde auch keine Rechtssicherheit hergestellt, sondern dies erneut an Gerichte delegiert.

Nachdem die neue TMG-Regelung den Bundestag vor einigen Monaten final passiert hat, lag es also erneut bei den Gerichten, für Rechtssicherheit zu sorgen. Diese gibt es, um es kurz zu machen, auch nach dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nicht – im Gegenteil. Hier eine kurze Bewertung des Urteils. Die Bundesregierung hatte es verpasst, selbst eine Klarstellung im TMG vorzunehmen und stattdessen in der Begründung des Gesetzes auf das Plädoyer des Generalanwalts verwiesen. Sie hat sich also darauf verlassen, dass das Gericht der Empfehlung des Generalanwalts folgt. Das tut es zwar häufig, aber eben nicht immer. Nun ist leider exakt das eingetroffen, wovor ich die Große Koalition in meiner Rede gewarnt hatte: Das Gericht hat anders entschieden als der Generalanwalt es empfohlen hat.

Das Gericht hat erneut Möglichkeiten geschaffen, gegen die sich nicht nur der Generalanwalt zuvor deutlich ausgesprochen hatte. Es hat auch Wege offengelassen, gegen die sich die Große Koalition bewusst entschieden hatte. Daher haben wir die Bundesregierung mehrfach gefragt, wie sie nun, wo es nach wie vor keine Rechtssicherheit gibt, gedenkt, weiter vorzugehen.

Nach der für alle überraschenden Entscheidung des EuGH stand die Frage im Raum, ob die Große Koalition nun die ganze TMG-Kiste erneut aufmacht, um ihr vor Jahren gegebenes und seitdem immer wieder erneuertes Versprechen, Rechtssicherheit herzustellen, doch noch einzuhalten. Auf meine schriftlichen Fragen antwortete die Bundesregierung bislang ausweichend. Im Ausschuss „Digitale Agenda“ hatten wir das Thema mehrfach aufgesetzt. Ein schriftlich gegenüber dem Ausschuss gegebener Bericht der Bundesregierung gibt nun Klarheit. Hier veröffentlichen wir die vollständige Stellungnahme (pdf). Hier die wichtigsten Punkte daraus:

  • Die Bundesregierung stützt unsere Ansicht, dass es ein Fehler der Regierungsfraktionen war, sich auf das Schlussplädoyer des EuGH-Generalanwalts zu verlassen
  • Bereits am 19. Oktober 2016 hat das Wirtschaftsministerium „Eckpunkte für weitere Änderungen am Telemediengesetz“ in die Ressortabstimmung gegeben
  • Auf Grundlage der Eckpunkte soll ein Referentenentwurf erarbeitet und das nochmals reformierte Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden

Die Frage ist, auch angesichts der immer näher rückenden Bundestagswahl, ob es noch eine Neuregelung von Seiten der Großen Koalition geben wird, wie diese konkret aussehen könnte oder ob wir erneut sechs Jahre hierauf warten müssen. Das wäre verheerend. Das hat offenbar auch die GroKo erkannt. Ob man sich noch einigen wird können, werden wir weiter mit Spannung verfolgen.

Heute habe ich folgende schriftliche Frage an die Bundesregierung gerichtet:

Wie ist der Stand bezüglich des von Seiten der Bundesregierung in Aussicht gestellten Referentenentwurfs für weitere Änderungen am Telemediengesetz (vgl. „Bericht der Bundesregierung zu den Schlussfolgerungen aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. September 2016 in der Rechtssache C-484/14 – Mc Fadden gegen Sony Music“) und geht die Bundesregierung noch davon aus, dass ein reformiertes Gesetz tatsächlich noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden wird?

Update: Antwort der Bundesregierung am Donnerstag – Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums am Montag

Auf meine schriftliche Frage antwortete die Bundesregierung dann Donnerstagabend, 23. Februar: Das Bundeswirtschaftsministerium habe Ende Dezember seinen Referentenentwurf in die Ressortabstimmung gegeben. Verbände und Lände würden „unmittelbar“ beteiligt werden.

Und schon am heutigen Montag, den 27. Februar prescht das Ministerium mit seinem Referentenentwurf vor, ein Schelm wer Böses dabei denkt. Allerdings bleibt es bei einem rein medialen Vorstoß, denn der nun öffentlich kursierende Entwurf trägt immer noch nur den Briefkopf des Wirtschaftsministeriums – von der versprochenen Ressortabstimmung ist weiterhin noch nichts zu sehen. Damit ist nach wie vor höchst ungewiss, ob und wenn ja, wann sich die Bundesregierung endlich auf eine effektive wie rechtsfeste Regelung dieses netzpolitischen Ärgernisses erster Güte einigt.

Hier findet Ihr meine aktuelle Pressemitteilung: Störerhaftung – Hängepartie geht weiter

Mit dem neuen Referentenentwurf geht das unselige Hin und Her um die „Störerhaftung“ nun in eine neue Runde – während Anbieter von öffentlichem WLAN weiter im Regen stehen. Seit sechs Jahren will die Bundesregierung für Rechtssicherheit sorgen. Stattdessen legte sie einen unausgegorenen Vorschlag nach dem anderen vor, der jedes Mal völlig an den digitalen Realitäten vorbeiging und absehbar von den Gerichten wieder kassiert wurde.

Daran ändert auch der nächste Entwurf aus dem Wirtschaftsministerium nichts: Die lange überfällige Befreiung bei Schadensersatz sowie Unterlassungs- und Gerichtskosten muss es erst einmal durch die Ressortabstimmung schaffen. Zudem geht die Ausweitung der Netzsperren wieder einmal in eine falsche Richtung.

Man darf beim absehbaren Widerstand der Union gespannt sein, ob der Entwurf nicht ebenso schnell wieder in der Schublade landet. Statt endlich für Rechtssicherheit zu sorgen, versuchen sich die Koalitionspartner nur gegenseitig die Verantwortung fürs fortgesetzte Scheitern zuzuschieben. Damit droht die Hängepartie sich noch bis nach den Bundestagswahlen zu ziehen.

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